Zu der Frage, in welcher Höhe Ansprüche auf Lohn bzw. Gehalt während der Kündigungsfrist bestehen, wenn in der Kurzarbeit das Arbeitsverhältnis gekündigt wird, ziehen viele Beiträge eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahre 1990 heran (Urteil vom 11.7.1990 – 5 AZR 557/89). Im damals zu entscheidenden Fall lag auf tariflicher Grundlage eine Betriebsvereinbarung über die Kurzarbeit vor. Da nach Ausspruch der Kündigung kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld gegenüber der Arbeitsagentur mehr besteht, hatte das Bundesarbeitsgericht damals entschieden, der Arbeitgeber sei verpflichtet, bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Vergütung in Höhe des zuvor gezahlten Kurzarbeitergeldes für den vereinbarten Zeitraum der Kurzarbeit zu leisten.
So wird auch heute noch überwiegend vertreten, der Arbeitgeber schulde die Vergütung für den Lauf der Kündigungsfrist nur entsprechend anteilig in Höhe des Kurzarbeitergeldes. Bedingt durch das gehäufte Auftreten der Problematik in der Corona-Pandemie wird die Rechtsprechung hier neue und differenzierte Antworten zu finden haben. Aus hiesiger Sicht ist zu differenzieren:
1. Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber
Die Zustimmung von Arbeitnehmer/innen oder Betriebsräten zur Einführung von Kurzarbeit hat stets den ausschließlichen Beweggrund, die Arbeitsplätze der Betroffenen zu erhalten. Es gibt keinen Anlass, anzunehmen, Arbeitnehmer/innen wollten auch für den Fall in Kurzarbeit verweilen, wenn feststeht, dass das Arbeitsverhältnis trotz reduzierter Arbeitszeit und Kurzarbeitergeldbezug endet. Mit Ausspruch der arbeitgeberseitigen Kündigung entfällt die Geschäftsgrundlage der Kurzarbeitsvereinbarung. Arbeitnehmer/innen und Betriebsräte sind gut beraten, in Vereinbarungen über Kurzarbeit eine entsprechende Regelung vorsorglich aufzunehmen. Auch wenn eine solche fehlt, sollte jedoch der Anspruch auf die volle arbeitsvertraglich geschuldete Vergütung für den Zeitraum vom Zugang der Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, also der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, arbeitsgerichtlich durchsetzbar sein.
2. Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer
Auch wenn das Arbeitsverhältnis durch den/die Arbeitnehmer/innen gekündigt wird, entfällt der Anspruch auf den Bezug von Kurzarbeitergeld. Der Arbeitgeber dürfte bis zum Ablauf der Kündigungsfrist die Vergütung nur für die gemäß der Kurzarbeitsvereinbarung reduzierte Arbeitszeit schulden. Die arbeitsgerichtliche Durchsetzung des vollen vertraglichen Lohn- oder Gehaltsanspruchs dürfte sich in diesem Fall schwieriger gestalten, weil der Arbeitgeber den Anlass für den Wegfall des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld in der Regel nicht zu vertreten hat. Dies könnte anders zu beurteilen sein, wenn der Arbeitgeber die Kündigung durch den/die Arbeitnehmer/in schuldhaft herbeigeführt hat.
Auch im Fall der Arbeitnehmer-Eigenkündigung wäre es jedoch juristisch vertretbar und nicht ohne Erfolgsaussicht, für den Lauf der Kündigungsfrist die volle vertragliche Vergütung zu verlangen. Sofern weder die Kostendeckung eines darauf zielenden arbeitsgerichtlichen Verfahrens durch eine Rechtsschutzversicherung oder gewerkschaftlichen Rechtsschutz gegeben ist, sollte allerdings vor Einleitung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens eine Wirtschaftlichkeitsbetrachtung durchgeführt werden.
3. Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag
In welcher Höhe die Vergütung für den Zeitraum vom Abschluss des Aufhebungsvertrages bis zum Beendigungsdatum zu leisten ist, wird maßgeblich von den Umständen des Einzelfalles abhängig sein, insbesondere der Frage, auf wessen Veranlassung das Arbeitsverhältnis beendet wird. Die Höhe der bis zum Ausscheiden durch den Arbeitgeber zu leistenden Vergütung sollte zur Meidung von Streitigkeiten in der Aufhebungsvereinbarung selbst geregelt sein.
Zu beachten sind in allen Fällen möglicherweise anwendbare tarifliche Regelungen. Evtl. arbeitsvertragliche Regelungen, die die vorstehend skizzierten Ansprüche ausschließen, sind möglicherweise wegen unangemessener Benachteiligungen unwirksam.
Autor und Ansprechpartner in der Kanzlei am Opernhaus:
Rechtsanwalt Thomas Hinderlich, Fachanwalt für Arbeitsrecht